Antihormonelle (endokrine) Therapie von Brustkrebs – Leitliniengerecht

Februar 5, 2012

Die endokrine Therapie stellt eine zentrale Säule in der Behandlung des Hormonrezeptor-positiven (HR+) Mammakarzinoms dar. Die Effektivität dieser Therapieform ist bei gleichzeitig relativ geringen unerwünschten Wirkungen enorm. Verschiedene Substanzen, Kombinationen und Sequenzen kommen im Rahmen der endokrinen Therapie zum Einsatz. Der derzeitige Wissensstand empfiehlt unterschiedliches Vorgehen je nach Menopausenstatus. Im Weiteren soll der aktuelle Standard der adjuvanten ‚antihormonellen’ Therapie sowie mögliche Pitfalls besprochen werden.

Östrogene nehmen Einfluss auf die Entstehung und Progression von Brustkrebs. Die Bindung von Östrogenen (vor allem Östradiol) an den zellmembranständigen Östrogenrezeptor (ER) führt zur Aktivierung einer Signalkaskade, die Wachstum und Proliferation der Zelle fördert und die Apoptose hemmt. Zudem können Östrogene an den nicht-membranständigen Östrogenrezeptor binden, der dadurch in den Nucleus transloziert und dort zur Transkription und in Folge zur Tranlsation von Proteinen führt, die ihrerseits ein Wachstum und Proliferation der Zelle begünstigen. Demzufolge ist es das Ziel der endokrinen Therapie den Östrogenrezeptor zu blockieren bzw. dessen Vorhandensein zu reduzieren (Tamoxifen, Fulvestrant) oder Serumöstrogenspiegel auf ein Minimum zu senken (Goserelin, Aromatasehemmer) und somit die Aktivierung des ER zu minimieren bzw. verhindern. Diese beiden unterschiedlichen Herangehensweisen wurden alleine bzw. auch in Kombination in der Prä- und Postmenopause untersucht.

 Prämenopause

 Bei der prämenopausalen Mammakarzinompatientin, bei der der Hauptproduktionsort der Östrogene das Ovar darstellt, ist Tamoxifen als der Standard der endokrinen Therapie anzusehen. Im EBCTCG Overview 2005 konnte bei einer Einnahme von 20mg Tamoxifen für 5 Jahre ein deutlicher und signifikanter Vorteil bezogen auf das krankheitsfreie Überleben sowie das Brustkrebs-spezifische Überleben (~12% bzw. ~10%) gegenüber Placebo gezeigt werden. Zudem kann man in dieser Arbeit nachlesen, dass 5 Jahre Tamoxifen einer Therapie von 1-2 Jahren überlegen ist. Ebenfalls effektiv in der Prämenopause ist Goserelin, welches durch eine ‚Ruhigstellung’ der Ovarien die Östrogenspiegel prämenopausaler Frauen auf ein postmenopausales Niveau senkt und so die Aktivierung des ER minimiert. Ob die Kombination dieser beiden Substanzen einen Vorteil bringt ist derzeit unklar. Gemäß einer Metaanalyse (Lancet 2007) führen Tamoxifen+Goserelin gegenüber der alleinigen Therapie mit Tamoxifen zu einem nicht signifikanten Vorteil  (HR 0.85, p =0.20) bezogen auf das krankheitsfreie Überleben. Beim San Antonio Breast Cancer Symposium (SABCS) 2010 wurde eine neuerliche Auswertung der ZIPP Studie, die Placebo vs. Goserelin vs. Tamoxifen vs. die Kombination Tamoxifen+Goserelin verglich vorgestellt. Die Autoren zeigten (im nicht randomisierten Vergleich), dass Goserelin für 2 Jahre genauso effektiv wie Tamoxifen für 2 Jahre ist, dass aber die Kombination von Tamoxifen+Goserelin der Monotherapie mit Tamoxifen oder Goserelin nicht überlegen ist. Da die Nebenwirkungen der Kombination ausgeprägter als die der alleinigen Therapie mit Tamoxifen sind, ist die Kombination Tamoxifen+Goserelin sicherlich derzeit in Frage zu stellen.

In der österreichischen ABCSG-12 Studie wurde bei prämenopausalen HR+ Patientinnen die Kombination Tamoxifen+Goserelin versus Anastrozole+Goserelin jeweils +/- Zoledronsäure verglichen. Goserelin ist vor allem aufgrund des Aromatasehemmers (AI) Anastrozole zum Einsatz gekommen, da dieser sich ohne zusätzlicher Suppression des Ovars auch negativ auf den Verlauf des Brustkrebs auswirken könnte. Die ABCSG-12 konnte keinen Unterschied in der Effektivität von Tamoxifen versus Anastrozole bezogen auf das krankheitsfreie Überleben zeigen. In einer neuen Analyse mit längerem Follow-up, die Prof. Gnant am ASCO 2010 vorstellte, wurde allerdings deutlich, dass das Gesamtüberleben nicht aber das krankheitsfreie Überleben in der Gruppe mit Anastrozole schlechter war. Es wird vermutet, dass dies zumindest zum Teil auf unterschiedliche Therapien beider Gruppen nach Rezidiv zurückzuführen ist. Das bekannteste Ergebnis der ABCSG-12 ist aber sicherlich, dass die Zugabe von Zolderonsäure zur endokrinen Therapie zu einer signifikanten Verbesserung des krankheitsfreien Überlebens und zu einer nicht-signifikanten Verbesserung des Gesamtüberlebens führt. Auf eine Zulassung von Zoledronsäure in entsprechender Indikation muss allerdings noch gewartet werden.

 Derzeitger Standard: 5 Jahre 20mg Tamoxifen;

Möglich: 2 Jahre Tamoxifen+Goserelin gefolgt von 3 Jahren Tamoxifen

Bei Kontraindikation (z.B. Thrombose) erwägenswert: 3 Jahre Anastrozole+Goserelin

Postmenopause

 Auch bei der postmenopausalen Frau verbessert Tamoxifen das krankheitsfreie Überleben sowie Gesamtüberleben signifikant wie im EBCTCG Overview 2005 gezeigt werden konnte. Die Zulassung der Aromatasehemmer für das HR+ postmenopausale Mammakarzinom löst den Einsatz von Tamoxifen aber zunehmend ab. Sowohl die BIG 1-98 als auch der ATAC trial zeigten, dass 5 Jahre Anastrozole bzw. Letrozole  einer Therapie mit 5 Jahren Tamoxifen bezogen auf das krankheitsfreie Überleben signifikant überlegen sind. Die Kombination von Tamoxifen und Anastrozole – d.h. das Blockieren des Östrogenrezeptors in Kombination mit dem Absenken der Östrogenspiegel – die im ATAC trial untersucht wurde, führte zu einem signifikant schlechteren Ergebnis als die alleinige Therapie mit dem Aromatasehemmer und stellt somit keine Therapieoption dar. Die sogenannte Switch Therapie, d.h. 2-3 Jahre Tamoxifen gefolgt von einem Aromatasehemmer (Anastrozole, Letrozole oder Exemestane) führt jedoch zu einer signifikanten Verbesserung des krankheitsfreien Überlebens gegenüber der alleinigen Therapie mit Tamoxifen. Der reversed Switch d.h. Letrozole gefolgt von Tamoxifen wurde ausschließlich in der BIG 1-98 Studie untersucht und war besser als die alleinige Therapie mit Tamoxifen und gleichwertig der alleinigen Therapie mit Letrozole. In einer Subgruppenanalyse zeigten die Autoren, dass bei Lymphknoten-positiven Patientinnen der Switch (Tam►AI) zu einem nicht signifikant schlechteren Ergebnis führt als der reversed Switch (AI►Tam) oder die alleinige Therapie mit dem Aromatasehemmer.

Der Einsatz eines Aromatasehemmers in der adjuvanten Therapie des HR+ postmenopausalen Mammakarzinoms erscheint – sofern keine Kontraindikation besteht – alleine oder vor bzw. nach Tamoxifen obligat. Tamoxifen ist allerdings noch nicht komplett aus der Therapie des HR positiven postmenopausalen Mammakarzinoms wegzudenken. Zum Einen bleibt die Therapie des DCIS vorerst die Domäne von Tamoxifen. Ob auch hier der Aromatasehemmer Tamoxifen verdrängt, wird von den Ergebnissen der IBIS II Studie, die die Effektivität von Tamoxifen mit Anastrozole in der Behandlung des DCIS vergleicht. Zum Anderen erscheint dem Autor die Sequenztherapie sinnvoller als die Monotherapie mit dem Aromatasehemmer beim invasiven Mammakarzinom. Dies soll wie folgt begründet werden: Erstens konnte in einer Metanalyse die kürzlich im JCO erschienen ist bei der Sequenztherapie nicht nur ein Vorteil im krankheitsfreien Überleben sondern auch im Gesamtüberleben gegenüber Tamoxifen mono gezeigt werden. Die alleinige Therapie mit dem Aromatasehemmer zeigte in dieser Analyse ‚nur’ einen Vorteil im krankheitsfreien Überleben nicht aber Gesamtüberleben gegenüber Tamoxifen mono. Zweitens werden die Nebenwirkungen ‚geteilt’, d.h. das vor allem das deutlich erhöhte Osteoporoserisiko unter Aromatasehemmer reduziert werden kann, wenn man nach ‚Halbzeit’ wechselt.

Standard: Switch Therapie (Tam [2-3 Jahre] ► AI [2-3 Jahre] = 5 Jahre endokrine Therapie), Aromatasehemmer mono

Möglich: reversed Switch (AI ► Tam)

Bei AI Kontraindikation: Tamoxifen mono

Pitfalls

Sowohl Tamoxifen, das seit über 20 Jahren als endokrine Therapie eingesetzt wird, als auch die Aromatasehemmer sind ausgiebig untersuchte Medikamente, die mit gutem Gewissen zur Anwendung kommen können. Dennoch sind gerade in den letzten Jahren Fragen und Probleme aufgetaucht, die zum Teil noch unbeantwortet sind.

  1. Sicherlich das schwerwiegendste Problem der endokrinen Therapie ist, dass laut einer aktuellen ASCO- Guideline vom Jahr 2010 ca. 20% aller Östrogenrezeptor- und/oder Progesteronrezeptorbestimmungen falschpositiv oder falsch negativ sind. Das bedeutet, dass ein gar nicht so kleiner Teil der vermeintlich HR+ Mammakarzinompatientinnen nicht von einer antihormonellen Therapie profitiert, da es sich eigentlich um ein HR negatives Mammakarzinom handelt bzw. dass einem Teil der vermeintlich HR negativen Patientinnen zu unrecht die endokrine Therapie vorenthalten wird, da sie eigentlich den HR positiven zugeordnet gehören. Die aktuellen ASCO Guidelines sollen hier zu Verbesserungen führen.
  1. Seit einiger Zeit wird diskutiert, dass durch Polymorphismen von CYP2D6, einem Enzym welches die Metabolisierung von Tamoxifen (Prodrug) in die eigentlich aktive Substanz Endoxifen fördert, die Effektivität von Tamoxifen vermindert wird. Verschiedene Studien konnten diese These mit Daten unterstützen. Wohl sollen auch Medikamente (vor allem SSRI’s), welche die CYP2D6 Aktivität beeinflussen und so die Metabolisierung von Tamoxifen behindern, Einfluss auf den Krankheitsverlauf nehmen. In den letzten beiden Arbeiten die beim SABCS 2010 vorgestellt wurden, Reanalyse von BIG 1-98 bzw. ATAC, konnte allerdings nicht gezeigt werden, dass Patientinnen mit CYP2D6 Polymorphismus einen schlechteren Krankheitsverlauf aufweisen. Eine prätherapeutische Testung von CYP2D6 vor Tamoxifengabe wird derzeit nicht empfohlen.
  1. In einer eigenen Arbeit, die wir am ASCO 2010 vorstellen durften, konnten wir in der Reanalyse der ABCSG-12 Studie zeigen, dass der Body Mass Index (BMI) signifikant die Effektivität von Anastrozole beeinflusst. Übergewichtige prämenopausale Brustkrebspatientinnen hatten unter Therapie mit Anastrozole (+Goserelin) ein signifikant kürzeres krankheitsfreies Überleben und Gesamtüberleben als übergewichtige Patientinnen unter Tamoxifen (+Goserelin). Die zugrundeliegende Hypothese, dass aufgrund vermehrter Aromatase und folglich erhöhter Östrogenspiegel bei übergewichtigen Patientinnen der Aromatasehemmer nur insuffizient die Östrogenspiegel senkt, wird in einer prospektiven Studie derzeit untersucht. Auch bei postmenopausalen Frauen nimmt der BMI Einfluss auf die Effektivität von Anastrozole, wie in der Reanalyse des ATAC trials gezeigt werden konnte.
  1. Obwohl die endokrine Therapie relativ gut vertragen wird, ist die Compliance extrem schlecht. Patridge et al. konnten bereits im Jahr 2003 zeigen, dass nur 77% der Brustkrebspatientinnen, denen eine endokrine Therapie mit Tamoxifen verschrieben wurde, diese im ersten Jahr nach der Diagnose und operativen Therapie auch wirklich einnehmen. Vier Jahre nach der Brustkrebsdiagnose nimmt überhaupt nur noch die Hälfte dieser Patientinnen das ihnen verordnete Tamoxifen ein. Bezogen auf die neuere, effektivere endokrine Therapie mit Aromatasehemmer können keine bessern Daten was die Adherence und Compliance betrifft beschrieben werden.  Nur 85% der Patientinnen, die einen Aromatasehemmer verordnet bekommen haben, nehmen diesen auch tatsächlich innerhalb des ersten Jahres nach Diagnose und operativen Therapie ein und nach 3 Jahren sind es nur noch gerade zwei Drittel (66%) dieser Patientinnen.

 

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